Lycia ballte die Hand zu einer Faust,
so stark, dass ihr die Fingernägel ins Fleisch schnitten. Sie wusste
selbst nicht mehr was sie erwartete. Verständnis? Liebe? Vertrauen?
Er hatte sich einen Weg an all den
Mauern vorbei in ihr Herz gefunden und sich so tief darin verankert,
dass sie ihn wahrscheinlich auch mit grossem Willen niemals wieder
herausdrängen konnte. Er hatte sich zu etwas alltäglichem gemacht,
dem Fels der vor ihr stand und die Wellen abfing. Am sehnlichsten
wünschte sie sich in diesem Moment wohl seine Anwesenheit, dass er
neben ihr lag, ihr Küsse auf den Haaransatz drückte und ihr sagte,
wie sehr er sie liebte.
Aber er war nicht da. Er hatte viel zu
tun, mit der Arbeit, seinen Freunden, der Familie. Und sie selbst
fühlte sich immer kleiner, verlorener, unbedeutender. Er allein
konnte nicht die Welt verändern, so naiv war sie schon lange nicht
mehr. Aber er konnte sie ein kleines bisschen verbessern.
Lycia sog scharf Luft ein als eine
erneute Tränenflut sie zu ersticken drohte. Sie war doch schon
gross, schon stark. Sie hatte gelernt dass nicht immer alles gut war,
aber manchmal tat die Einsicht zu sehr weh, dass es schlechtes gab.
Manchmal hätte sie sich am liebsten in ihrem Bett neben ihrer Mutter
verkrochen und so lange geweint bis sie so ausgelaugt und so müde
war, dass sie traumlos einschlief.
Lycia dämmerte es allmählich, dass
diese Sache mit Casey ernst war. Dass er vielleicht genau der Mensch
war, der sie ergänzte und das erhöhte den Druck. Den Druck nichts
falsch zu machen, richtig zu handeln, ihn so zu akzeptieren wie er
war, mit jeder Ecke und jeder Kante, egal wie scharf sie ihr ins
Fleisch schnitt. Aber mittlerweile blutete sie aus so vielen kleinen
Wunden, dass der Schmerz überhand gewann und sie wünschte sich,
mehr als alles andere, dass er derjenige war, der auf jeden dieser
Kratzer ein Hello-Kitty-Pflaster klebte. Weil er wusste wer sie war
und weil er, da war sie sich ganz sicher, weil er sie liebte.