Freitag, 1. März 2013

Kalter Beton.

Vereinzelte Restregentropfen treffen mich am Scheitel, holen mich in die Realität zurück. Ich stehe da, am Rande des Daches. Ich mache einen Schritt zurück.
Kalter Beton unter nackten Mädchenfüssen.
Noch ein Schritt zurück. Unter mir rasen Autos über die Strasse, Lichtschlieren in meiner dunklen Welt. Ich schlucke, ein Regentropfen trifft meine Füsse unerwartet. Ich zucke zusammen.
Kalter Beton unter nackten, nassen Mädchenfüssen.
Meine Beine tragen mich nicht mehr. Ich knie mich hin, halte mich mit beiden Händen an der Regenrinne fest. Unter mir ist Leben, das ganze Haus ist voll davon. Leben ist Verantwortung. Ich will keine Verantwortung. Ich rutsche auf den Knien zurück und starre auf die vorbeifahrenden Autos. Noch ein Stück zurück, jetzt sehe ich die Autos nicht mehr, nur das blaue Licht der Leuchtreklame gegenüber. Ich stelle mir vor, ich würde hinüberspringen, mitten auf die Reklame und davonlaufen. Aber so weit springen kann ich nicht. Ich spüre den Wind auf meinen Wangen. Er streichelt die Spur meiner eingetrockneten Tränen. Ich lächle. Ich greife nach der helfenden Hand, doch da ist keine. Nur Nacht, Regen. 

Nur Nacht, Regen, der Wind und kalter Beton unter nackten Mädchenfüssen. 
Jetzt schlage ich mit den Handflächen auf den Boden unter mir, schlage als würde es mir helfen. Aber das tut es nicht. Nun ziehe ich die kalten Knie an meinen zitternden Körper. 
Kalter Beton unter nackten Mädchenbeinen. 
Ich beisse auf meine Unterlippe, bis ich Blut schmecke. Metall. Ich lege den Kopf auf meine Knie, starre stumm in die Nacht und sehe doch nichts. Gänsehaut überzieht meine Oberärme. Ich weiss nicht ob der Auslöser Ekel oder Kälte ist. Ich lege die Hände neben mir auf den Boden und atme tief durch. Die Luft brennt in meinen Lungen. 
Kalter Beton unter nackten Mädchenhänden. 
Dann stehe ich auf. Sitzen ist mir zuwider. Ich balanciere auf dem Flachdach als wäre es ein Drahtseil. Rechts der Abgrund, links der Rückzug. Ein Netz oder doppelten Boden gibt es nicht. Wind weht durch meine Haare. Die Tränenspuren auf meinen Wangen sind jetzt frisch und nass. Eine Träne tropft auf meine Zehen. Dann die Nächste. 
Kalter Beton unter klatschnassen, nackten Mädchenfüssen. 
Ich blicke zurück zu der Tür aus der ich gekommen bin. Der Wind hat sie zugeschlagen. Der Weg zurück ist versperrt. Der nächste Schritt ist einer nach vorne. Dann noch einer. Ich schliesse die Augen, öffne sie wieder. Ich schaue noch einmal zur blauen Leuchtreklame. Wieder atme ich durch, wünsche mir etwas. Dann stosse ich mich ab, springe. Sekundenlang nur Luft und Freiheit. 
Kalter, roter Beton unter totem Mädchenkörper.

Die Banalität des Bösen

Was ist böse? Es erscheint fast zu einfach zu sagen "Das ist böse", es ist schwer zu definieren was böse sein könnte. Da gibt's ja wohl kaum schwarz und weiss, eher grau. Düsteres, undurchschaubares Grau mit einem Stich in's Weisse. Böse sein ist menschlich, aber ist böse sein auch natürlich? Alles was wir als böse bezeichnen, spontan fallen mir da Dinge ein wie Krieg, Ungerechtigkeit, Unterschiede, Raub, Gier, ist in gewisser Weise natürlich, oder nicht? Tiere sind nicht böse, zumindest sagt mir das jeder. Tiere kämpfen um Reviere, um's nackte Überleben. Doch irgendwie habe ich mir plötzlich die Frage gestellt, ob Menschen das nicht auch tun. Früher ging es beim Krieg um Vergrösserung des Siedlungsgebietes, heute geht es vielmehr um Reichtum, Reichtum der eindeutig das Überleben ausmacht. Ungerechtigkeit, ist das nicht sowas wie das Recht des Stärkeren in der Tierwelt? Gier ist auch tierisch genauso vertreten wie menschlich. Aber wo bleibt dann das Böse? Wenn die Kriege, die Ungerechtigkeit nicht bloss aus Boshaftigkeit, sondern aus viel banaleren, natürlicheren, ja sogar notwendigen Dingen entstehen, kann dies kaum das reine Böse sein. Wenn wir  nun also herausfinden, was in unserem bösen Verhalten uns von den Tieren unterscheidet, haben wir dann die ultimative Lösung? Einer spontanen Überlegung nachgehend, erlaube ich mir zu behaupten, dass Tiere definitiv nicht wünschen. Der Mensch wird doch von seinen Sehnsüchten und Wünschen genau so angetrieben, wie von den niederen Instinkten wie essen, trinken oder pinkeln. Aber Menschen wünschen sich selten etwas wirklich, wirklich böses, oder nicht? Eigentlich wünschen wir uns doch, besser zu sein als andere. Eigentlich erfreuen wir uns daran, wenn jemand nicht so gut ist wie man selbst. Survival of the fittest ist wahrscheinlich statt eine Theorie zu bleiben, zu einer Lebensphilosophie geworden. Besser, stärker, schöner, schneller, reicher. Ich glaube, das reine Böse im Menschen ist der Wunsch, nein das pure Verlangen danach, besser zu sein als die Anderen.