Sonntag, 22. Juli 2012

Karma


Lycia sass auf der Couch im oberen Teil des Ferienhauses. Sie hatte sich die Haare unordentlich über die Stirn nach hinten und über die Schulter nach vorne gekämmt. Im ganzen Haus roch es nach angebratenem Fleisch, welches in ihrer Nase kitzelte. Sie war hungrig. Heute war kein guter Tag gewesen, sie hatte Mühe mit dem Aufstehen gehabt, so grosse Mühe wie schon lange nicht mehr. Es war ihr vorgekommen als würden ihre Füsse tonnen wiegen, als würde sie lappig, alt, hässlich, fett sein. Sie kam sich kaputt vor. Sie hatte trotzdem mit ihrer Familie gefrühstückt und gleich danach wieder ins Bett gelegt. Sie zog die Decke über den Kopf und versteckte sich vor der Welt. Vier Stunden lang. Dann begannen ihre Tabletten zu wirken, machten den Tag irgendwie, ganz langsam, wieder angenehm. Lycia hatte sich wieder aus ihrer Bettburg hinausgetraut, verbrachte den restlichen Tag mit halb hochgezogenem Rollo und einer Jogginghose an ihrem Laptop – für direkten Kontakt mit Menschen fühlte sie sich nicht in der Lage. Sie schickte die Familie aus dem Zimmer und sogar ihre Kuscheltiere waren in ihrem Bett unerwünscht. Irgendwann hatte sie sich dann doch hinausgetraut, war erst in die Küche gegangen und dann ganz vorsichtig, Stufe für Stufe, die Treppe nach oben auf die Couch getappt. Und nun wartete sie nur noch auf eines, dass dieser Tag endlich vorbei war, dass sie morgen aufwachen und glücklich sein würde, oder zumindest ein Stück glücklicher als Heute.

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